Wir müssen jetzt alle zusammenhalten?

„Die Pandemie trifft alle gleich“ oder: lasst euch doch bitte weiter verarschen

Uns wird seit einem Jahr oft gesagt „die Pandemie trifft alle gleich“ und folglich müssten wir auch „alle zusammenhalten“, um sie zu überwinden… so offensichtlich wie ersteres eine Lüge ist, ist auch zweiteres nur ein weiterer Versuch uns zu verarschen.

Weder trifft diese scheinbar alles legitimierende Krankheit alle gleich, noch all die unter ihrem Vorwand durchgesetzten Maßnahmen. Wer sich gutes Essen, beste Gesundheitsversorgung, Erholung, eine angenehme Wohnsituation und allgemeine Bedienung und Belieferung leisten kann, ist von der Krankheit nur halb so bedroht, ebenso, wie wer sich Strafen für verbotene Kontakte, eine große Wohnung, einen Garten und sonst noch was leisten kann, von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen weniger getroffen wird. Während manche „frei“ kriegen (die, die eh gut verdienen oft bezahlt, die anderen meist eher gefeuert), heißt das oft genug für die, die deren Haushalt führen, noch mehr Stress um die Ohren zu haben.

Und was die scheinbare Schlussfolgerung aus der Lüge, diese Forderung nach angeblichem „Zusammenhalt“, betrifft, so sagt sie vielmehr etwas über die Motivation hinter der Verlogenheit, als dass sie einen Wunsch nach Zusammenhalt ausdrückt. Außer vielleicht nach dem Zusammenhalt, nicht zwischen allen, sondern eher einseitig, hinter den Reichen und Mächtigen und ihrem System, also unserer eigenen Ausbeutung und Unterdrückung. Zusammenhalt also gegen Arme und Außenseiter.

Während die „Krise“ also alle gleich trifft, das heißt, die Armen immer ärmer werden, die Unangepassten immer kontrollierter und die Reichen immer reicher, die großen Unternehmen immer mächtiger und ihre Aktienkurse so hoch wie noch nie sind, soll sich kein Unmut, kein Widerstand regen.

Es handelt sich hier also weniger um einen Aufruf zum Zusammenhalt, was Beziehungen gegenseitiger Unterstützung wären, als vielmehr zum einseitigen Gehorsam der Regierten gegenüber der Regierung und zur Dienerschaft der Ausgebeuteten gegenüber der Wirtschaft und ihren Bossen, zum Verrat an allen Kämpfen um Befreiung.

Die Lüge der ach so schweren Betroffenheit aller soll uns also, geschmückt mit hoffnungsvollen Worten wie Zusammenhalt, einmal mehr die Augen verwischen, unsere Opferbereitschaft steigern. Sie soll uns den Konflikt zwischen Macht und Wirtschaft auf der einen und Unangepassten und Ausgebeuteten auf der anderen Seite, nicht sehen lassen, versteckt hinter angeblichem Zusammenhalt. Während dieser Konflikt von Seiten der Macht und des Kapitals sehr wohl und intensiv, als einseitiger Angriff, gegen uns geführt wird. Es ist wie im Krieg. Wenn die Mächtigen neue Länder unterwerfen wollen, um ihre Macht und Reichtum zu vergrößern, appellieren sie an die Nation, an den Zusammenhalt, den Nationalstolz, ein starkes „Wir“. So sollen ihre Unterworfenen im Namen dieser Gemeinschaft für sie in den Krieg ziehen, sich für sie gegenseitig massakrieren, ihren Herrschern weitere Diener unterwerfen, mit denen sie dann als Untergebene konkurrieren dürfen.

Zur Hölle also mit diesem Zusammenhalt, der nichts als Untertanentum bedeutet! Er bedeutet Komplizenschaft mit der Herrschaft, er richtet sich gegen Arme, Ausgebeutete und Unterdrückte! Lasst uns also stattdessen den Konflikt gegen Politik und Wirtschaft eskalieren und einzig mit unseren Freund*innen und Mitkämpfer*innen zusammenhalten, anstatt mit unseren Feinden. Ein solcher Zusammenhalt bedeutet für mich ein solidarisches Netz an Beziehungen zu kreieren, am besten auch mit Menschen aus unserer Nachbarschaft, sich gegenseitig vor den Schergen zu warnen, Unterschlupf zu bieten und zum Angriff überzugehen. Zum Angriff gegen die Institutionen der Herrschaft und ihre Infrastruktur der Kontrolle, gegen die Fabriken, Büros und ihre Versorgungsnetze, gegen das Eigentum und seine Verteilung. Und das mit allen Mitteln, die jeder*m Einzelnen passend erscheinen. Um Platz zu schaffen für ein freies Leben mit allem, was das für jede*n Einzelne*n beinhaltet.